Dactylorhiza incarnata subsp. coccinea (Den Haag)

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Den Haag (NL), 16.6.2015


Jetzt werden Sie sich vielleicht über diese ungewöhnliche Namensgebung wundern, die zum ersten Mal in unserer Rubrik der Orchidee des Monats auftaucht. Aber es hat seine Gründe, warum wir bei einer ganzen Reihe von Taxa in unserem Bildarchiv eine Ortsbezeichnung in Klammern dazusetzen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn uns eine Population auffällt, die nicht so recht ins bisher bekannte Schema passt und also auch noch nicht gültig beschrieben ist. Um auszudrücken, wo diese unklare Population vorkommt, bietet es sich an, ja nach Verbreitung einen Ort, eine Provinz oder gar ein Land dazuzuschreiben. Und weil wir gerade schon dabei sind: Bei Taxa, die zwar gültig beschrieben sind, deren Status von uns jedoch angezweifelt wird, setzen wir das Art-Epitheton in Anführungszeichen. Dieses Vorgehen mag nicht den wissenschaftlich gültigen Nomenklatur-Standards entsprechen und wird auch dem einen oder anderen nicht gefallen. Wir halten es aber für sinnvoll und nehmen uns als Autoren das Recht heraus, diesen Weg zu gehen.

Im vorliegenden Falle sind die Beweggründe für den Klammerzusatz schnell erklärt: Das Taxon "coccinea" war bis vor kurzem noch als Endemit von England, Wales, Schottland und Irland bekannt. Seit 2006 weiß man, dass an der Holländischen Küste Populationen des fleischfarbenen Knabenkrauts vorkommen, die im Erscheinungsbild auffallend stark dem Taxon coccinea ähneln. Besonders auffällig sind die ziegelrot bis scharlachfarbenen Blüten, die es in dieser Form bei keinen anderen Vertreter des incarnata-Formkreises gibt, sowie der stumpige Wuchs, die unverhältnismäßig groß bzw. breit wirkenden Blätter, der vergleichsweise späte Blühtermin sowie der küstennahe Standort in feuchten Dünentälchen und Küstenwiesen mit kalkhaltigen Böden. All das trifft auf die Pflanzen zu, die wir in Holland gesehen haben.

Jetzt stellt sich die Frage, wie dieses Taxon mit den genannten charakteristischen und auffälligen Merkmalen denn all die Jahre dort übersehen werden konnte, zumal die Standorte auch wegen anderer Orchideenarten bekannt sind und teilweise direkt an viel begangenen Wegen liegen. Oder hat es sich erst in jüngster Zeit über Samenanflug etablieren können? Oder wurde es gar angesalbt, zumal mittlerweile sogar ein Standort von Spiranthes romanzoffiana aus Holland gemeldet wird, was doch reichlich verdächtig ist? Auch wenn dieses Taxon an mehreren, räumlich getrennten Stellen an der holländischen Küste vorkommt und wohl bereits 1985 registriert wurde, sind jedenfalls Zweifel ob des natürlichen Vorkommens in Holland angebracht. Deshalb wollen wir diese Populationen nicht kommentarlos dem Taxon coccinea zuordnen, sondern durch den Klammerzusatz unsere Zweifel zum Ausdruck bringen.

Dass wir dieses Taxon separat führen hat aber noch einen weiteren Grund. Dadurch wird über die Funktion "Taxa vergleichen" eine direkte Gegenüberstellung mit anderen Taxa möglich. Das erhöht die Transparenz und jeder kann sich selbst ein Bild machen und entscheiden, in welche Schublade das zu stecken ist. Ansonsten gibt es nicht viel zu sagen zu diesem Taxon. Beschrieben wurde die "echte" Scharlachfarbene Fingerwurz bereits 1884 in Wales als Dactylorhiza latifolia subsp. coccinea. Später wurde sie richtigerweise als Subspezies zu Dactylorhiza incarnata gestellt, einige Kolleginnen und Kollegen halten auch den Artrang für gerechtfertigt.

Hybriden sind - wie bei den Knabenkräutern nicht weiter überraschend - immer wieder zwischen den Eltern zu finden, einige Beispiele finden Sie in unserem Bildarchiv. Die Chromosomenzahl beträgt (wenig überraschend) 2n=40.

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Den Haag (NL), 16.6.2015


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Den Haag (NL), 16.6.2015


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Den Haag (NL), 16.6.2015