Goodyera repens

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Nagold (D), 23. Juli 2010


Die Orchidee des Monats August 2010 ist ein Kleinod unserer Heimat. Wer sie einmal auf dunklem, moosigem Waldboden gesehen hat, wie sie zwischen Kiefernnadeln ihren fast durchsichtigen, behaarten und mit kleinen schneeweißen und ebenfalls stark papillös behaarten Blütchen gespickten Blütenstiel gen Kronendach streckt, staunt einmal mehr über die Vielfalt der Orchideen-Familie. Dabei sind die drei- bis achtblättrigen Blattrosetten eher unscheinbar und nur bei gutem Blick zu entdecken. Sie sind nämlich für den ungeübten Naturfreund auf den ersten Blick kaum als Orchidee zu erkennen. Das wiederum liegt insbesondere daran, dass die Nerven der Blätter, die "Versorgungsleitungen" gewissermaßen, querverzweigt erscheinen. Das ist für Vertreter der Orchideen-Familie sehr ungewöhnlich und so charakteristisch, dass ihr sogar der deutsche Name "Netzblatt" verpasst wurde.

Kriechendes Netzblatt genauer gesagt. Das Edaphon "repens", richtigerweise mit "kriechend" übersetzt, bezieht sich auf die starke vegetative Vermehrung über Seitentriebe, die sich aus dem Rhizom entwickeln. Neue Triebe brauchen oft mehrere Jahre, bis sie zur Blüte gelangen und sterben danach ab. Und noch eine Besonderheit sei genannt: Goodyera repens ist die einzige Orchideenart in Deutschland, die immergrüne Blätter hat! Carl von Linné gab der Art 1753 den Namen Satyrium repens. Erst 1813 stellte der Botaniker Robert Brown die Art in die Gattung Goodyera, wo sie auch heute geführt wird. Goodyera übrigens leitet sich vom englischen Botaniker John Goodyer ab.

Während die Gattung Goodyera bei uns in Mitteleuropa nur mit einer Art vertreten ist, sieht das andernorts anders aus. In Nepal zum Beispiel gibt es gleich 11 verschiedene Arten. Insgesamt umfasst die Gattung an die 80 Arten, die in tropischen asiatischen Gebirgswäldern und in Ostasien, in Nordaustralien sowie in Nord- und Mittelamerika beheimatet sind. Und nicht zuletzt möchten wir noch auf Goodyera macrophylla aufmerksam machen, einen wenig bekannten Endemiten der Insel Madeira. An den zwei dort vorhandenen Naturstandorte ist die Art mittlerweile fast erloschen, so dass ihr Überleben nur durch Kultur möglich ist.

Zurück zu Goodyera repens. Die Art ist im ozeanisch getönten Westeuropa selten, in Europa und Vorderasien von der borealen bis zur submeridionalen Zone jedoch verbreitet. Es ist damit eine nordisch-kontinentale, zirkumpolare Art. Bei uns in Süddeutschland ist Goodyera repens selten, während sie in den Kiefernwäldern der subalpinen Stufe der Alpen durchaus größere Bestände bilden kann. Unser Aufnahmen entstanden in einem Fichtenforst am Rand des Nordschwarzwalds bei Nagold. Die kleinwüchsige Art ist sehr konkurrenzschwach. Insbesondere Überdeckung durch zu viel Nadelstreu und vor allem durch Laubstreu lässt sie sehr schnell verschwinden, so geschehen beispielsweise am Südhang des Stuifens im Kreis Göppingen, wo noch vor 20 Jahren ein stattlicher Bestand bewundert werden konnte. Gerade Sekundärstandorte, die sich bei mangelnder Pflege durch natürliche Sukzession im Laufe der Jahre in Misch- oder gar Laubwälder verwandeln, sind besonders gefährdet.

Das Netzblatt ist eine typische Waldorchidee. Insbesondere nach Süden exponierte Kiefernwälder, aber auch Nadelwälder und Nadelholzforste bis hinaus auf über 2.000 Meter über dem Meer sind ihr Revier. Die meist basenreichen Böden dürfen nicht zu trocken, aber auch nicht zu feucht oder gar nass sein. Vergesellschaftet steht sie bei uns manchmal mit Vertretern der Gattung Epipactis und den beiden Waldorchideen Listera cordata oder Corallorhiza trifida. Letztere beiden sind jedoch zur Blütezeit des Netzblattes schon verblüht, während Epipactis helleborine gleichzeitig zur Blüte kommt. Bei uns liegt die Hauptblütezeit Mitte bis Ende Juli, in höheren Lagen natürlich entsprechend später bis weit in den August hinein.

Goodyera repens wird von Hummeln bestäubt und weist einen hohen Fruchtansatz auf. Was genetische Besonderheiten betrifft gibt es diesmal nicht viel zu berichten. Hybriden sind bei der in Deutschland monotypischen Gattung schwer möglich. Und auch Albinos kann es verständlicherweise bei einer weiß blühenden Art nicht geben. Die Chromosomenzahl beträgt 2n=28, 30, 32, 40.

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Nagold (D), 23. Juli 2010


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Nagold (D), 23. Juli 2010