Anacamptis pyramidalis
L.C.M. Richard 1818

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Gruibingen (D), 25. Juni 2004


Als Orchidee des Monats haben wir diesmal einen alten und vergleichsweise unproblematischen Vertreter ausgewählt. Alt deshalb, weil diese Art schon 1818 von Richard beschrieben wurde und damit zu den "ältesten" bekannten europäischen Orchideen zählt. Und unproblematisch, weil sie eigentlich unverwechselbar ist. Wer sie einmal gesehen hat, wird sie immer wieder zweifelsfrei erkennen. Besonders charakteristisch der lange Stiel, der pyramidenförmige Blütenstand im Knospenzustand und vor allem die zwei deutlich sichtbaren Längsleisten neben dem Sporneingang.

Freilich: Es gibt auch hier verschiedene Sippen, zu einfach soll es ja auch bei dieser Gattung nicht sein. Sie unterschieden sich aber nur marginal, insbesondere an der Blütenfarbe. Unsere mitteleuropäische Sippe blüht in der Regel dunkelrosa und zählt zu den später blühenden Arten. Wenn sie in den Halbtrockenrasen und Wacholderheiden ihre Flammen entzündet, sind beispielsweise die Ragwurzarten, mit denen sie manchmal vergesellschaftet steht, längst verblüht, mit Ausnahme vielleicht einiger Nachzügler der Bienenragwurz. Dafür haben schon Stendelwurzarten, beispielsweise Epipactis muelleri oder Epipactis atrorubens erste Blüten geöffnet.

Im Mittelmeerraum gibt es weitere Sippen. Hier blüht sie in der Regel sehr viel heller bis hin zu fast weiß und kommt an manchen Orten in zwei Blühschüben vor, wobei der zweite oft etwas dunklere Blüten trägt. Es verwundert eigentlich, dass nicht schon längst jemand daraus wenigstens zwei Unterarten gemacht hat. Allerdings sind auch schon zwei Varietäten bekannt, die vielleicht ein anderes Mal Orchidee des Monats werden könnten. Es sind die Var. brachystachys, die zierlicher und klein- und lockerblütiger sein soll und im Südosten des Areals vorkommt und die Var. urvelliana mit relativ kleinen Blüten und einem Chromosomensatz von 2n = 36, die von Malta und Gozo bekannt ist.

Sehr interessant ist auch eine Sippe des Hochgebirges, die mit Anacamptis var. tanayensis auch einen eigenen Namen trägt. Sie blüht relativ spät im Jahr noch bis in den August hinein und trägt auffallend dunkle Blüten. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmale ist ein lockerer Blütenstand und der weit vorgezogene mittlere Lappen der insgesamt relativ waagrecht abstehenden Blütenlippe, was allerdings auch bei Vertretern der tieferen Lagen ab und an zu beobachten ist. Im Jahre 2000 wurde schließlich mit Anacamptis pyramidalis var. nivea eine weißblühende Variante aus Griechenland kreiert.

Und nicht unerwähnt bleiben soll eine Sippe, die in Süddeutschland auf der Schwäbischen Alb, beispielsweise im Kreis Göppingen vorkommt. Ihre Blüten sind auffallend dunkle bis fast schwarzrot und sie sind im Wuchs insgesamt vergleichsweise stattlich. Viele Exemplare sind so dunkel, dass es schwer fällt, wirklich richtig belichtete, gute Fotos zu schießen, gerade so wie bei den Schwarzen Kohlröschen. Sie leuchten einem schon von weitem entgegen und auf 200 Meter Entfernung kann man sie locker ohne Fernglas in den Halbtrockenrasen ausmachen. Es stellt sich schon die Frage, ob hier wegen der lokalen Verbreitung nicht auch der Rang einer Varietät gerechtfertigt wäre. Jedenfalls sind gerade diese dunkelblütigen Exemplare eine Pracht, auch deshalb, weil sie hier meist mit den verschiedenen Händelwurzarten und -Unterarten gemeinsam und oft in großer Zahl blühen und auf den Halbtrockenrasen Anfang Juli aspektbildend sind. Anfänglich hatten wir diese Variante zu Anacamptis pyramidalis Var. tanayensis gestellt, dann aber wieder aus dem Internet genommen. Ganz überzeugt bin ich nach wie vor nicht, dass diese Mittelgebirgsvariante nicht doch etwas von Var. tanayensis hat. Ich habe jedenfalls schon Pflanzen fotografiert, die alle oben genannten Merkmale trugen. Erschwerend kommt hinzu, dass gerade in jüngster Zeit auf Grund genetischer Untersuchungen vermehrt diskutiert wird, ob denn nicht Anacamptis und Orchis in eine Gattung zusammengeführt werden sollten. Solange hier keine Klarheit herrscht bleiben wir lieber beim Althergebrachten. Den meisten von Ihnen dürfte das entgegenkommen.

Das Verbreitungsgebiet von Anacamptis pyramidalis ist verhältnismäßig groß und umfasst Europa, Nordafrika, Vorderasien, den Kaukasus und Nordwestpersien. Es ist ein meridional-submeridional-temperates Florenelement. Man findet sie in Magerrasen, Wacholderheiden, lichten Wäldern und Gebüschen bis hinauf in 2.000 Meter Meereshöhe. Sie bevorzugt trockene bis wechselfeuchte, basenreiche Böden und kommt deshalb vor allem (aber nicht nur) in Kalkgebieten vor. Bei uns blüht sie von Ende Juni bis Ende Juli, am Mittelmeer entsprechend früher ab Ende März und in höheren Lagen später.

Albinotische Formen und auch andere Farbabweichungen kommen ab und zu vor. Hybriden jedoch sind sehr selten, was nicht weiter verwunderlich ist, denn schließlich handelt es sich bei Anacamptis pyramidalis (noch) um eine monospezifische Gattung. Deshalb können - wenn überhaupt - nur Gattungshybriden entstehen. Bekannt und zweifelsfrei nachgewiesen - und überdies auch meist gut erkennbar - sind solche mit Orchis morio und Orchis papilionacea. Alle anderen Hybridmeldungen sind kritisch zu hinterfragen, so auch die vermeintlichen Hybriden mit Gymnadenia conopsea und Vertretern der Gattungen Serapias, Dactylorhiza und Platanthera. Chromosomensätze von 2n = 36, 54 und 72 werden gemeldet. Bestäubt wird die Pyramidenorchidee durch verschiedene Nachtschmetterlinge nach einer ganz präzisen, ausgeklügelten Mechanik.

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Kreta (GR), späte Sippe, 6. April 2004


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Cevennen (F), 22.5.1987


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Gruibingen (D), dunkle Sippe, 20. Juni 2003


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Pyrenäen (F), August 1988