Ophrys speculum ssp. speculum

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Mallorca (E), 28. April 2006


Für manche ist Ophrys speculum die schönste Ragwurzart überhaupt. In der Tat fasziniert ein gutes Foto, projiziert auf eine 2-Meter-Leinwand, sicher jeden Betrachter. Wie ist so was nur möglich, fragt man sich unwillkürlich. Insbesondere die Farbkontraste, das spiegelnde leuchtend baue Mal mit gelbem Rand und die starke braune Behaarung fallen ins Auge und geben dieser Art ein unverwechselbares Aussehen. So auffällig die Einzelblüten bei näherer Betrachtung auch sind, in der Natur kann man dieses Kleinod tatsächlich erstaunlicherweise leicht übersehen. Wie passt das zusammen, werden Sie jetzt fragen. Nun, es liegt insbesondere am relativ niedrigen Wuchs der Pflanze. Selten wird sie höher als 20 Zentimeter, bei voller Besonnung sind es gar nur 5 bis maximal 10. Hat sich das Auge allerdings erst einmal darauf eingestellt und rennt man nicht zu schnell übers Gelände, so kann einem diese Art nicht mehr entgehen. Das gilt insbesondere an Standorten, wo die Spiegelragwurz in größeren Beständen, teilweise mit bis zu 100 Exemplaren pro Quadratmeter, anzutreffen ist.

Die Art kommt im gesamten Mittelmeergebiet vor, allerdings mit unterschiedlicher Häufigkeit und größeren Verbreitungslücken im zentralen und ostmediterranen Gebiet. Dies liegt insbesondere an der entsprechenden Verbreitung des Bestäubers, Dasyscolia ciliata (= Campsoscolia ciliata). Besonders häufig ist sie im westlichen Mittelmeergebiet. Auf Mallorca zum Beispiel ist Ophrys speculum mit Abstand die häufigste Orchideenart. Selbst in katastrophal schlechten Jahren wie 2006 konnte man sie dort in vielen Biotopen in mehr oder weniger großer Stückzahl bewundern. In anderen Gegenden, beispielsweise in Südfrankreich, ist die Spiegelragwurz dagegen eine Rarität. Auf Sizilien kommt sie wieder etwas häufiger vor. Auch in der Türkei – besonders im westlichen Teil – kann man Ophrys ciliata, wie sie von manchen Orchideenfreunden auch genannt wird, finden. Auf Kreta und Karpathos kommt sie sporadisch vereinzelt vor, kann dort aber keine stabilen Populationen bilden, da offensichtlich der Bestäuber fehlt. Es ist zusammenfassend ausgedrückt ein mediterran submediterranes Florenelement.

Früher hieß die Art übrigens auch Ophrys vernixia, der Name wechselte mehrfach. Wir schließen uns der restriktiveren Namensverwendung im neu erschienenen Buch „Die Orchideen Europas“ von Baumann, Künkele, Lorenz, Ulmer-Verlag 2006 an. Demnach heißt unsere Orchidee des Monats Ophrys speculum ssp. speculum, wobei wir wieder bei der schon von Danesch 1972 (!!!) verwendeten Bezeichnung angelangt wären. Auch die nahe verwandten, bislang als eigenständige Art geführten Ophrys lusitanica und Ophrys regis-fernandii werden wieder als Unterart von Ophrys speculum geführt. Wir begrüßen im übrigen die neueren Bestrebungen, viele so genannte "Arten" wieder in der Rang einer Subspezies oder gar Varietät zu stellen, selbst wenn in einigen Fällen die Umgruppierungen etwas willkürlich erscheinen. Wir werden jedenfalls bei Gelegenheit unser Archiv komplett darauf umstellen. Noch eine Bemerkung: Die für die Populationen des östlichen Mittelmeerraumes verwendete Bezeichnung Ophrys speculum ssp. orientalis können wir nicht nachvollziehen. Wir halten dies allenfalls für eine im Erscheinungsbild geringfügig abweichende Varietät.

Der Schönling kommt in lichten Wäldern, Garriguen, extensiv genutzten Olivenhainen, Magerrasen und aufgelassenem Kulturland vor und verträgt damit volle Sonneneinstrahlung genauso wie Halbschatten. Selbst auf unbefestigten Wegen und zwischen Bauschutt und Abfall findet sie ihren Platz. Sie besiedelt frische, aber auch sehr trockene, aber immer basenreiche Böden. Selbst wenige 100 Meter vom Meeresufer entfernt und damit noch im Gischtbereich kann sie leben, geht aber auch bis in Höhen von über 1.000 Metern hinauf. Auf Meeresniveau blüht sie relativ früh, auf Kreta beispielsweise bereits ab Mitte Februar und kann Mitte April schon ganz von der Bildfläche verschwunden sein. In etwas höheren oder schattigen Lagen, beispielsweise an Nordhängen unter dem Schatten von Bäumen, kann man dagegen Mitte April noch aufblühende Pflanzen entdecken.

Ophrys speculum bildet wie alle Ragwurzarten hier und da Hybriden. Wegen des besonderen Erscheinungsbildes der Art sind solche Hybriden besonders attraktiv und meist gut zu erkennen. So sind die Orchideenfreunde fast ausnahmslos mächtig stolz, wenn sie eine solche Hybride in der Natur entdecken. Sie kommen insbesondere vor mit Ophrys atrata, Ophrys balearica und Ophrys tenthredinifera, aber auch mit anderen Arten wie Ophrys lutea, bombyliflora, apifera, eleonorae, arachnitiformis, passionis, praecox, provincialis, scolopax oder Ophrys fusca. Auch Gelblinge mit völlig gelber Lippe und grünlichem Perigon sind hin und wieder zu beobachten, ebenso Exemplare mit mehr oder weniger rosa gefärbten Sepalen und Petalen. Interessant sind auch Formen, die die blaue Farbe des Spiegels (Mals) auf Grund eines genetischen Defekts nicht synthetisieren können. Bei solchen Pflanzen ist das Mal gelblich-weiß, während der Rest der Blüte normal gefärbt ist. Oder aber das Mal (=Zeichnung) fehlt ganz und die Lippe erscheint vollständig braun, was auch bei anderen Ragwurzarten sehr selten vorkommt und bei der Biene (Ophrys apifera) sogar zu einem eigenen Namen Ophrys apifera var. fulvofusca geführt hat. Eine taxonomische Bedeutung haben solche Mutationen natürlich nicht, es sind lediglich Spielarten der Natur.

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Monte Argentario (I), 28. April 1984


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Mallorca (E), 18. April 2006


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Mallorca (E), 28. April 2006