Ophrys sphegodes subsp. tommasinii

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Galesnica (HR), 5. April 2007


Spinnen sind ungeheuer variabel, das hat vermutlich jeder Orchideenfreund längst gemerkt. Schaut man sich einen größeren Bestand näher an, könnte man die vorkommenden Pflanzen meist ohne Probleme einer Vielzahl verschiedener Taxa zuordnen. Hier kommt es dann nicht auf Einzelpflanzen, sondern auf den Durchschnitt an. Dennoch ist es kein Wunder, dass gerade innerhalb dieser Gruppe die Zahl der verschiedenen Taxa in den letzten 15 Jahren überdurchschnittlich und stetig zugenommen hat. Manches muss man kritisch hinterfragen, einiges ist nicht nachvollziehbar. Tatsache ist, dass es kleinblütige und großblütige Taxa gibt. Erstere hat man ursprünglich unter Ophrys araneola subsummiert, letztere setzten sich immer schon aus verschiedenen Arten und Unterarten zusammen. Manche Autoren führen die meisten Taxa im Artrang, andere wiederum unterscheiden zwischen der Ophrys araneola- und der Ophrys sphegodes-Gruppe und ordnen die Taxa diesen Gruppen als Unterarten zu. Wir haben uns der Meinung von Baumann, Künkele und Lorenz angeschlossen, die klein- und großblütigen als Ophrys sphegodes zusammenzufassen und die kleinblütigen Taxa im Unterartrang von Ophrys sphegodes zu führen.

Die kleinblütigen Spinnen sind noch vergleichsweise überschaubar. Dennoch gibt es auch hier unterschiedliche Auffassungen über den Rang der verschiedenen Taxa. Das gilt auch für unsere Orchidee des Monats Mai. Wie kompliziert das ist, mögen die folgenden Zeilen verdeutlichen. Die Tommasinii-Ragwurz wurde von Visiani im April 1851 von der nordkroatischen Insel Sveti bei Losinj beschrieben. Von verschiedenen Autoren wird das Taxon nach wie vor als eigene Art Kroatiens verstanden. Andere Autoren dagegen betrachten Ophrys tommasinii als Synonym zu Ophrys araneola. In diesem Falle wären die mitteleuropäischen Pflanzen identisch mit den kroatischen.

Der Haken: Es gibt Berichte, wonach die Pflanzen im ehemaligen Yugoslawien ausschließlich in niedrig gelegenen und klimatisch begünstigten küstennahen Biotopen vorkommen und sehr frostempfindlich sind. Das trifft für die deutschen Vorkommen jedoch nicht zu. So haben es bekanntlich in Deutschland bislang nur vier verschiedene Ragwurzarten geschafft, dauerhaft Fuß zu fassen. Dies liegt zweifellos insbesondere daran, dass diese Arten relativ frostunempfindlich sind. Dazu gehört auch Ophrys araneola, die auf der Schwäbischen Alb auf 700 Metern Meereshöhe unter kontinentalen Klimabedingungen erfolgreich den relativ harten Wintern trotzt. Es erscheint vor diesem Hintergrund wenig wahrscheinlich, dass Ophrys sphegodes subsp. araneola und die Tommasinii-Ragwurz identisch sind. Letztlich ist eine zweifelsfreie Zuordnung derzeit nicht möglich. Wir führen die Tommasinii-Ragwurz konsequenterweise als Ophrys sphegodes subsp. tommasinii.

Erkennungsmerkmale der Tommasini-Ragwurz sind neben den relativ kleinen Blütenlippen die meist (aber nicht immer) stark gegliederte und weiß umrandete Malzeichnung, sowie der meist scharf abgegrenzte gelbe Lippenrand. Außerdem bildet sie gerne größere Gruppen (siehe Foto), was allerdings auch bei anderen Unterarten vorkommt, so zum Beispiel auch bei Ophrys sphegodes subsp. araneola. Nach derzeitiger Auffassung gibt es in Kroatien drei verschiedene kleinblütige Spinnen. Die am frühesten blühende wird als Ophrys sphegodes subsp. incantata bezeichnet. Darauf folgt in der Blütezeit Ophrys sphegodes subsp. tommasinii, während Ophrys sphegodes subsp. illyrica den Abschluss des Blütenreigens bildet. Ob das alles so nachvollziehbar ist, sei mal dahingestellt.

Die beiden zuletzt genannten Taxa konnten wir selbst in Augenschein nehmen. Sie sind relativ variabel und morphologisch nicht eindeutig abgrenzbar. Es könnte sich also durchaus auch um verschiedene Blühschübe ein und desselben Taxons handeln. Wenn Sie beide Taxa direkt miteinander vergleichen wollen, bietet sich ein Klick in unser Bildarchiv an. Wählen Sie eine Unterart aus (z.B. Ophrys sphegodes subsp. tommasinii), klicken Sie anschließend rechts auf "Taxa vergleichen" und rufen sie dann die zweite Unterart auf (z.B. Ophrys sphegodes subsp. illyrica). Bei der Gelegenheit können Sie auch die große Bandbreite im Erscheinungsbild beider Unterarten bewundern. Bilder sagen manchmal mehr als Worte.

Wie dem auch sei: Das Verbreitungsgebiet umfasst nach derzeitigem Stand insbesondere die Küstenregionen Kroatiens. Auch aus italienischen Mittelgebirgslagen liegen Fundmeldungen vor. Da das italienische Festland nicht weit entfernt liegt und die extrem leichten Orchideensamen bekanntlich große Distanzen überwinden können, sind solche Berichte durchaus ernst zu nehmen. Andererseits halten wir eine Zugehörigkeit dieser Pflanzen zur frostempfindlichen Ophrys sphegodes subsp. tommasinii aus oben genannten Gründen für wenig wahrscheinlich. Vermutlich handelt es sich um Ophrys sphegodes subsp. araneola.

Die Tommasinii-Ragwurz braucht kalkhaltigen Boden und begnügt sich ansonsten mit nährstoffarmen, relativ trockenen Standorten. Stärker beschattete Bereiche meidet sie. Die Blütezeit liegt in der ersten Aprilhälfte. Sie steht in Vollblüte, wenn beispielsweise Ophrys bertolonii subsp. bertolonii zu blühend beginnt und Orchis pauciflora und Orchis quadripunctata subsp. quadripunctata ihr Blühoptimum erreicht haben. Ophrys bertolonii subsp. flavicans ist dann bereits weitgehend verblüht.

Hybriden sind, wie innerhalb der Gattung Ophrys üblich, mit verschiedenen Ragwurz-Taxa möglich, sofern sich die Blütezeiten überschneiden und räumlich engerer Kontakt besteht. Erkennbar sind sie insbesondere dann, wenn sich die Eltern morphologisch in verschiedenen Merkmalen deutlich unterscheiden und wenn sie relativ mittig zwischen ihnen liegen (im Idealfalle 50 : 50-Hybriden). Albinos, wie bei den Ragwurzarten üblicherweise mit weißem Perigon und grünlich-gelber Lippe ausgestattet, sind ebenfalls zu erwarten. Sie dürften allerdings sehr selten sein.

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Ploce (GR), 8. April 2007


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Galesnica (HR), 5. April 2007


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Galesnica (HR), 5. April 2007


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Galesnica (HR), 5. April 2007