Serapias neglecta
De Notaris 1858

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Südfrankreich, April 1984


Die Zugenständel sind schon eine merkwürdige Gattung. Als Laie wird man gar nicht darauf kommen, dass es sich hier um Orchideen handelt. Bei näherem Hinsehen aber kann man die typischen Merkmale der Orchideenfamilie gut erkennen. Die drei Sepalen und 2 Petalen bilden einen Helm, Epichil und Hypochil bilden die Lippe aus.

Warum die Art übersetzt "Vergessener Zungenständel" heißt, ist eigentlich nicht nachvollziehbar. Angeblich ist es eine Anspielung daran, dass die Art von den Botanikern lange verkannt wurde. Zu übersehen ist sie jedenfalls nicht. Zum einen liegt das an den verhältnismäßig großen Blüten. Generell haben die Zungenständel unter allen europäischen Orchideen die größten Blüten und speziell Serapias neglecta gehört zu den großblütigen Vertretern der Gattung. Dementsprechend ist die Pflanze auch recht attraktiv und auffällig. Gerade bei größeren Beständen, die bei dieser Art oft vorkommen, setzt sie bunte Aspekte in der Wiese. Auch Straßenböschungen oder -ränder oder auch die von höherem Bewuchs freigehaltenen Brandschutzschneisen entlang der Straßen zählen zu den bevorzugten Standorten dieser Art. Selbst in Olivenhainen oder lichten Wäldern kann man sie gelegentlich entdecken. Sie mag frische, leicht saure Böden. Sehr trockene oder stärker beschattete Standorte dagegen meidet sie.

A propos Straßenränder: Wenn Sie die Beschreibungen der Orchideen der letzten Monate verfolgt haben, ist Ihnen wahrscheinlich aufgefallen, dass offensichtlich gerade die Straßenränder bevorzugte und verlässliche Orchideenbiotope sind. Zumindest im mediterranen Raum trifft dies tatsächlich zu. Dies hat mehrere Gründe. Der banalste ist, dass diese Bereiche aus Sichtgründen oder als Brandschutzmaßnahme frei von höherem Bewuchs gehalten werden. Andererseits erfolgt keine intensive Nutzung, meist wird nur ein- oder höchstens zweimal geschnitten. Dann werden solche Bereiche nicht gedüngt und verständlicherweise auch nicht abgefressen wie so manche Wiese. Ein weiterer Grund ist die bessere Wasserversorgung, weil die Böden verdichtet sind und zusätzlich das Straßenwasser aufnehmen. Gerade im Mittelmeerraum, wo Wasser ein begrenzender Faktor für das Wachstum von Pflanzen ist, bedeutet das einen entscheidenden Standortvorteil. Nebenbei hat dies noch einen sehr angenehmen Nebeneffekt: Auch die lauffaulen Botaniker kommen ohne Anstrengung auf Ihre Kosten.

Auch wenn in den letzten Jahren einige Neubeschreibungen hinzugekommen sind, insgesamt ist die Gattung Serapias noch vergleichsweise übersichtlich. Das soll nicht heißen, dass man im Einzelfalle nicht doch wieder Schwierigkeiten bei der Bestimmung hat. Manchmal muss man sogar eine Blüte zerlegen um eine genaue Zuordnung zu treffen. Übersehene Zungenständel jedenfalls kann man meist gut erkennen und eine Verwechslung ist fast ausgeschlossen.

Das Verbreitungsgebiet von Serapias neglecta ist verhältnismäßig klein. Es reicht von der Küste des Ligurischen Meeres von der Provence bis zur Toscana. Vorkommen gibt es auch auf Elba, Korsika und Sardinien. Insbesondere in Südostfrankreich ist die Art nicht selten. Sie blüht verhältnismäßig früh. Sie ist damit ein zentral-mediterran / zentral und west-submediterranes Florenelement. Nicht selten findet man bereits im März blühende Exemplare. Die Hauptblütezeit liegt aber im April. Im Mai findet man dann nur noch in etwas höheren Lagen der küstennahen Gebirge, beispielsweise in Ligurien, einzelne blühende Exemplare. Die Höhengrenze der Verbreitung liegt bei rund 600 Metern.

Interessant ist neben dem ungewöhnlichen Blütenaufbau auch das Farbenspiel dieser Art. Normalerweise blüht sie ockerfarben bis rosabräunlich. Man kann aber auch immer wieder sehr hell- oder rosablütige Exemplare, seltener sogar ganz weiß, rot oder gelblich blühende finden. Auch Exemplare mit etwas überdurchschnittlichem roten Blütenfarbstoff kommen vor. Von Ferne könnte man solche Pflanzen mit Serapias cordigera verwechseln. Aber bei näherem Betrachten sind die Unterschiede recht gut zu erkennen. Besonders reizend sind Mischfarbige Exemplare. Da kann der Helm rot, die Lippe aber weiß sein, oder umgekehrt. Auch Exemplare mit weißrandiger Lippe auf rotem Grundton sind zu finden.

Zungenständel mögen keine Einsamkeit. Sie kommen meist gesellig vor und oft findet man neben dieser Art auch noch eine oder mehrere andere direkt Verwandte in unmittelbarer Umgebung, zum Beispiel Serapias lingua oder Serapias vomeracea. Wenn man sich dann genauer umsieht, findet man ab und zu Hybriden, die dann gut zu erkennen sind, wenn sie ziemlich intermediär zwischen den Eltern liegen. Serapias neglecta kommt zudem oft zusammen mit Orchideenarten anderer Gattungen vor, insbesondere mit Orchis picta (siehe Standortaufnahme). Sehr selten kommt es bei dieser Konstellation zu intergenerischen Hybriden. Sie sind - wie man auf dem Bild links (mit Orchis laxiflora) erkennen kann - ausgesprochen attraktiv und schon von weitem zu erkennen. Auf der Wunschliste der Orchideenliebhaber stehen sie denn auch ganz oben.

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Südfrankreich, 8.5.1986


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Südfrankreich, April 1984


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Südfrankreich, 8.5.1986


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Südfrankreich, April 1984


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Südfrankreich, Hybride mit Orchis laxiflora, 9.5.1986