Nigritella buschmanniae
Teppner und Ster 1996

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Brenta (I), 12. Juli 2005


Diesmal ist wieder ein Vertreter der Gattung Kohlröschen an der Reihe. Viel zu sagen gibt es allerdings nicht über Buschmanns Kohlröschen. Da wäre zuerst einmal der Name. Er geht zurück auf die österreichische Botanikerin Adolfine Buschmann (1908-1989). Sie war von 1936 bis 1969 am Institut für Botanik der Universität Graz tätig und beschäftigte sich hauptsächlich mit der Systematik von Hornkräutern (Cerastium), Rispengräsern (Poaceae) und Großpilzen. Apropos Name: Wie bereits mehrfach dargelegt verwenden wir (noch) nicht die Bezeichnung Gymnadenia buschmanniae. Die von einigen Autoren vorgeschlagene Vereinigung der Gattungen Gymnadenia und Nigritella ist in Fachkreisen noch heftig umstritten.

Dann wäre zu sagen, dass diese Art relativ jung ist. Sie wurde erstmals in der Ausgabe 36 der österreichischen Fachzeitschrift Phyton vom 31.12.1996 von Teppner und Ster ausführlich beschrieben. Ersterer hat sich zusammen mit seinem Kollegen Klein intensiv mit der Gattung Nigritella beschäftigt und auch umfangreiche morphologische und genetische Untersuchungen durchgeführt. Wir gehen also mal davon aus, dass der Artrang gerechtfertigt ist, obwohl man rein morphologisch leichte Zweifel daran haben kann. Die Art hat starke Ähnlichkeit mit Nigritella widderi und teilweise auch Nigritella dolomitensis. Wenn aber Buschmanns Kohlröschen als einziger Vertreter der Gattung einen pentaploiden Chromosomensatz von 2n= 100 als bislang höchste Ploidiestufe aufweist, ist dies doch ein deutlicher Hinweis auf die Eigenständigkeit dieser Sippe. Buschmanns Kohlröschen pflanzt sich apomiktisch fort.

Das Verbreitungsgebiet dieser Art ist sehr begrenzt. Sie kommt nach derzeitigem Wissensstand ausschließlich in der Brenta vor, dem südwestlichsten Bereich der Dolomiten jenseits des Eisacktals. Das imposante Bergmassiv erreicht mit der Cima Brenta seine größte Höhe von 3.150 Meter. Und man muss weit hinauf, um diesen Endemiten zu Gesicht zu bekommen. Kohlröschen sind grundsätzlich Bergorchideen. Während aber andere Vertreter der Gattung Kohlröschen schon mal bis 1.600 Meter runtergehen, hat man Nigritella buschmanniae bislang nur in Höhen über 2.300 Metern gefunden. Ein relativ leicht zugänglicher Platz liegt am Paso del Groste bei Madonna di Campiglio, wo die Art zerstreut in den nach Osten exponierten Matten vorkommt. Unsere Fotos wurden dort aufgenommen. Sie wächst auf kalkhaltigem Substrat in tiefgründigen Rasen mit Sesleria varia und Carex sempervirens und blüht Mitte Juli. Vor dem Hintergrund der großen Wuchshöhe ist es ein vergleichsweise früh blühendes Kohlröschen. Wegen des kleinen Verbreitungsgebiets und der dort nicht gerade häufig vorkommenden geeigneten Biotope muss die Art als sehr selten angesehen werden.

Ein bedeutendes Charakteristikum dieser Art ist der halbkugelige Blütenstand, der sie von Nigritella dolomitensis unterscheidet. Mit letzterer gemein hat sie die Blütenfarbe, die im Gegensatz zum karminrot von Nigritella rubra eher ins bläulich-violette geht, sowie die im Laufe der Anthese verblassende Blütenfarbe, was bei Nigritella widderi wiederum nicht vorkommt. Außerdem sind die Blüten von Nigritella widderi deutlich heller und meist rosa. Mit letzterer gemein hat sie die sehr breite Lippenbasis und eine ähnlich vorstehende Rostellumfalte. So gilt auch hier die Devise, nicht einzelne Exemplare zu beurteilen, sondern den Bestand.

In diesem Zusammenhang möchten wir auf ein interessantes Phänomen hinweisen. In den nördlichen bayerischen Kalkalpen der Nagelfluhkette zwischen Immenstadt und Hochgrat kann man sehr selten in einer Höhenlage von rund 1.600 Metern vereinzelt oder in kleinen Gruppen eine Kohlröschensippe finden, deren Zuordnung bislang nur unbefriedigend gelöst ist. Sie blüht bereits ab 25. Juni auf und wird derzeit auf Vorschlag der bayerischen Kollegen unter Nigritella dolomitensis geführt. Nach eigener Anschauung bestehen da allerdings Zweifel. Zwar stimmen diese Pflanzen von der Blütenfarbe mit Nigritella dolomitensis weitgehend überein. Der Blütenstand ist aber halbkugelig und damit für Nigritella dolomitensis untypisch. Um Nigritella widderi oder Nigritella rubra kann es sich nicht handeln, auch nicht um eine Farbvariante von Nigritella rhellicani. Letztere blüht rund 2 Wochen später und kommt an den Fundorten der besagten Sippe nicht vor. Außerdem ist das Erscheinungsbild der Sippe recht einheitlich; Farbvarianten treten dagegen eher vereinzelt in Mitten typischer Exemplare auf. Die Pflanzen der Nagelfluh erinnern rein morphologisch am ehesten an Buschmanns Kohlröschen. Eine bessere Beurteilung des Status dieser Sippe wäre durch genetische Untersuchungen möglich. Wir werden sie in unserer Homepage solange frech als Nigritella buschmanniae "Nagelfluh" führen, obwohl es möglicherweise sogar eine eigenständige Sippe ist. Wenn präzisere Ergebnisse vorliegen, werden wir den Namen mit einem Mausklick umgehend ändern, das ist ja das schöne an einer Homepage. Ein Exemplar von der Nagelfluhkette haben wir zum Vergleich links abgebildet. Weitere Bilder sind über unser Bildarchiv abrufbar.

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Brenta (I), 12. Juli 2005


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Brenta (I), 12. Juli 2005


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Brenta (I), 12. Juli 2005


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Brenta (I), 12. Juli 2005


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Immenstadt (D), 23. Juni 2005 (var. "Nagelfluh")