Epipactis muelleri

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Schwäbische Alb, 4. Juli 2009


Der Reigen der Orchideen des Monats beginnt 2010 mit einer Stendelwurz. Wer öfters bei www.orchis.de vorbeischaut wird schon bemerkt haben, dass wir die Gattung Epipactis etwas stiefmütterlich behandeln. Dies liegt insbesondere daran, dass sich viele Taxa morphologisch sehr ähnlich und auch - man möge mir diese nicht besonders wissenschaftliche uns sehr subjektive Bewertung verzeihen - nicht besonders attraktiv sind. Hinzu kommt, dass die meisten Taxa ein relativ variables Erscheinungsbild haben, das leider auch die Merkmale umfasst, die in der Literatur oft als kennzeichnend angegeben werden, so zum Beispiel Form, Größe und Anzahl von Stängelblättern. Und last but not least bastardieren die Stendelwurze untereinander, was die eindeutige Bestimmung oft erschwert.

Natürlich gibt es nicht nur eine kleinblütige, eine rote und die breitblättrige Ständelwurz. Aber die Vielfalt an Arten, die wir mittlerweile in einigen Büchern finden, erscheint uns doch reichlich übertrieben. Kann man die Arteninflation innerhalb der Gattung Ragwurz bei Anwendung des populationsbiologische Artbegriffs wenigstens noch nachvollziehen, fällt es bei einer Gattung ohne spezifische Bestäuberbeziehungen doch schwer. Aber die Diskussion um den Artbegriff wollen wir an dieser Stelle nicht vertiefen und schon gar nicht entscheiden. Außerdem hilft die Bestäubungsbiologie in unserem Falle nicht weiter, denn obwohl sie Nektar produziert ist die 1921 erstbeschriebene Epipactis muelleri autogam, bestäubt sich also selbst ohne fremde Hilfe. Sie hat folglich kein Rostellum und die bröseligen Pollinien fallen bereits im Knospenstadium auf die darunterliegende Narbe. Der Fruchtansatz ist dementsprechend sehr hoch.

Müllers Stendelwurz, unsere Orchidee des Monats Januar 2010, ist noch vergleichsweise gut zu identifizieren. Die wichtigsten Erkennungsmerkmale sind die relativ steifen, oft heller grünen, länglichen und vor allem am Rande stark gewellten, sichelförmig nach außen gekrümmten Blätter und die weißlichen, stark hängenden und sich meist nicht vollständig ausbreitenden Blüten mit braun gefärbtem "Napf" und relativ spitzigen Petalen und Sepalen. Außerdem blüht die Art verglichen mit anderen Arten der Gattung relativ früh.

Das Verbreitungsgebiet ist mit Europa relativ gut umschrieben. Selten tritt sie in größeren Beständen auf, meist sind es Einzelpflanzen oder kleinere Trupps. Die wärmeliebende Pflanze mit ausgeprägtem Rhizom wächst an Wegrändern, Böschungen und in Halbtrockenrasen, den dunklen Wald dagegen meidet sie. In unserer Heimat hat die Art eine enge Bindung an Kalkmergel- und dolomitische Böden. Deshalb wird man sie in Landschaften mit sauren Böden wie beispielsweise auf den Urgebirgsböden des Schwarzwaldes vergeblich suchen. Besser sind die Chancen auf der Schwäbischen Alb und in den Gäulandschaften. Das Höhenprofil reicht von 130 bis 1.590 Meter Meereshöhe, die Blütezeit reicht von Anfang Juni bis Anfang August in höheren Lagen.

Albinos kommen natürlich vor, sind aber meist wenig auffällig, weil die Art an sich schon relativ farblose Blüten hat. Exemplare, bei denen das Blattgrün fehlt, sind da schon auffälliger. Diese Form des genetischen Defekts ist jedoch extrem selten. Eine Herausforderung sind wieder mal die Hybriden. Auch wenn das Taxon relativ früh blüht überschneidet sich die Blütezeit mit verschiedenen anderen Stendelwurzarten, in Süddeutschland insbesondere mit Epipactis atrorubens und Epipactis helleborine, so dass - trotz der Autogamie - immer wieder vereinzelt Hybriden beobachtet werden können. Hybriden mit Vertretern anderer Gattungen wurden bislang nicht beobachtet und sind wegen der isolierten Stellung der Gattung Stendelwurz innerhalb der Orchideenfamilie auch nicht zu erwarten.

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