Dactylorhiza incarnata
(Linnaeus) Soo 1962

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Mai 1999, Aude (F)


Steht man vor einem Knabenkraut, weiß man oft spontan nicht, was das nun genau ist. Also beschäftigt man die grauen Zellen samt ihrer Synapsen und versucht, das Rätsel schrittweise zu lösen. Trägt der Stängel Blätter, haben wir es mit der Gattung Dactylorhiza zu tun. Ist der Stängel blattlos und die Blätter ausschließlich an der Stängelbasis angeordnet, ist es ein Vertreter der Gattung Orchis. Soweit ist man relativ schnell. Dann aber wird es meist etwas mühsamer. Insbesondere innerhalb der Gattung Dactylorhiza gibt es eine ganze Reihe problematischer und schwer unterscheidbarer Arten, beispielsweise innerhalb der Gruppe maculata und majalis. Die typische Dactylorhiza incarnata jedoch gehört zu den vergleichsweise gut zu erkennenden Knabenkräutern und niemand wird ihm den Rang einer guten Art aberkennen wollen. Die wichtigsten Erkennungsmerkmale sind: Hohler Stängel (!), (meist) ungefleckte, schmale, relativ steil aufrechte und glänzende, relativ hellgrüne Blätter, gedrungener Blütenstand mit kleinen und sehr fein mit Schleifen gezeichnete Blütchen, die normalerweise zart- bis hellrosa gefärbt sind, was auch zum Namen "Fleischfarbenes Knabenkraut" geführt hat. Natürlich gibt es auch hier Ausreißer und auch lokale Sippen mit etwas abweichender Morphologie, es ist eben wie im richtigen Leben.

Das Fleischfarbene Knabenkraut mag es sonnig und feucht und fühlt sich insbesondere in Niedermoorwiesen und in Quellmooren wohl, allerdings nur, wenn diese nicht gedüngt sind. Denn auf Eutrophierung regiert die Art sehr empfindlich und verschwindet noch vor Dactylorhiza majalis, die etwas anspruchsloser ist und mit der sie oft zusammen vorkommt und auch an guten Standorten größere Bestände bilden kann. Sie braucht – im Gegensatz beispielsweise zu Dactylorhiza maculata, kalkhaltigen Untergrund und fehlt folglich in Gegenden mit sauren Böden. Die Art geht in den Südalpen hinauf bis rund 2.100 Meter, wobei sie in größerer Höhe (1.000-2.500 Meter) in einigen Regionen, beispielsweise den Dolomiten, durch Dactylorhiza cruenta ersetzt wird. Diese sieht dem fleischfarbenen Knabenkraut ähnlich, allerdings sind die Blüten in der Regel nicht so regelmäßig angeordnet, der Blütenstand wirkt folglich irgendwie unordentlich. Außerdem sind die Blätter viel gedrungener und stärker abstehend, der Stängel ist auffallend dick.

Die Art ist sehr variabel, was zur Beschreibung von rund 60 Arten, Unterarten, Varietäten und Formen geführt hat. Auch hier ging es darum, das "Chaos" durchsichtiger zu machen. Leider ist das wie auch bei anderen Arten und Gattungen nur bedingt gelungen. Wir sind der Auffassung, dass insbesondere im Artrang einiges geführt wird, das dort nicht hingehört. Einige besondere Taxa seien noch genannt: Dactlyorhiza incarnata ssp. serotina (spätblühende, niedrig wachsende Unterart in den Bergen mit dunkleren Blüten), var haematodes (mit oberseits meist stark gefleckten Blättern und dunkleren Blüten), var. hyphaematodes (Laubblätter beiderseits gefleckt bis völlig rot gefärbt und oft mit Dactylorhiza cruenta verwechselt). Nicht auszuschließen, dass das eine oder andere Taxon eines Tages auch noch in unserer Rubrik "Orchidee des Monats" näher beschrieben werden wird, sollten und die "richtigen" Arten einmal ausgehen.

Das Verbreitungsgebiet von Dactylorhiza incarnata ist vergleichsweise groß. Es liegt in Europa und Vorderasien von der submeridionalen zur borealen Zone. Sogar im Kaukasus und den Gebirgen Turkestans kann man dieses schöne Knabenkraut finden, obwohl manche Kollegen wohl der Meinung sind, dort handle es sich um andere Arten. Im Mittelmeergebiet fehlt sie übrigens mit Ausnahme von Nordspanien, Norditalien, des Nordbalkans und der Nordwesttürkei. Das Fleischfarbene Knabenkraut ist damit ein submeridional/montanes, temperat boreales Florenelement. Die Blütezeit reicht je nach Breiten- und Höhenlage von April bis Ende Juli, wobei sie etwas später blüht als Dactylorhiza majalis.

Der Chromosomensatz ist 2n=40. Da Dactylorhiza incarnata oft vergesellschaftet mit anderen Vertretern der Gattung Dactylorhiza vorkommt, nimmt es auch nicht wunder, dass es zu Bastardierungen kommt. Angegebene Hybriden mit Vertretern der Gattung Orchis (Orchis palustris und Orchis coriophora) sind übrigens ebenso zweifelhaft wie mit Gymnadenia conopsea. Dass Hybriden innerhalb der Gattung Dactylorhiza sogar relativ häufig sind, liegt insbesondere daran, dass die meisten Arten innerhalb dieser Gattung keine spezifischen Bestäuber haben, wie beispielsweise die Ragwurzarten. Wenn ein Insekt aber mehrere Arten anfliegt, sind Hybriden vorprogrammiert. Das geht sogar manchmal soweit, dass die Eltern gar nicht mehr da sind und nur noch die Hybridpopulation übrig ist. Möglich ist das, wenn die Hybride robuster ist und in ihren Ansprüchen dem veränderten Standort besser gerecht wird. In solchen Fällen hat man dann oft massive Bestimmungsprobleme.

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8. Juni 2002, Oberschwaben (D)


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Mai 1999, Aude (F)


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8. Juni 2002, Oberschwaben (D) mit Dactylorhiza majalis


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8. Juni 2002, Oberschwaben (D)