Die
Wespenragwurz ist eine besonders hübsche Orchidee, und dazu noch
relativ weit verbreitet. Fast im gesamten Mittelmeerraum bis hinüber
nach Hatay in der Türkei kommt sie vor, besonders im südlichen
Mittelmeerraum ist sie häufig. Sie ist damit ein mediterran w+z+(o)-submediterranes
Florenelement. Sie ist unverwechselbar und insbesondere an der stumpfen
Säule zu erkennen. Die Art blüht relativ früh, bei warmer
Witterung im Winter, wie beispielsweise in diesem Jahr auf Sizilien,
bereits Ende Februar.
An den Standort
stellt sie relativ geringe Ansprüche, nur zu trocken sollte es
nicht sein. Sie kommt in Magerrasen, Garriguen, Macchien, und auch lichten
Kiefernwälder, ja sogar in Olivenhainen auf basischen bis schwach
sauren Böden vor. Auch ihr Höhenspektrum ist bemerkenswert.
Sie gedeiht von Meereshöhe bis hinauf in rund 1.800 Meter über
dem Meer. Die Chromosomenzahl beträgt 2n=36.
Ophrys tenthredinifera
ist mit dem Ophrys fuciflora-Formenkreis verwandt und unterscheidet
sich insbesondere durch das stumpfe Säulchen. Sie ist sehr nahe
verwandt mit Ophrys tardans, Beide werden deshalb unter der Gruppe Ophrys
tenthredinifera geführt. Es sind mehrere Sippen beschrieben worden,
so unter anderem eine frühblühende aus Portugal ("praecox"),
die bereits im Januar die ersten Blüten öffnet. Eine spät-
und großblütige Variante wird unter "grandiflora"
bzw. "ronda" von Algerien, Spanien, Portugal und Marokko beschrieben.
Wir haben solche Pflanzen auch auf Mallorca gefunden. Da sie dort zusammen
mit der Nominatform am gleichen Standort blüht, sind die Unterschiede
gut zu erkennen. Der Vergleich zeigt, dass es sich um eine großblütige,
eigenständige Unterart oder gar eine Art handeln muß. Besonders
auffallend ist bei der großblütigen Form die grüne Basis
der Narbenhöhle und ein dunkler Querbalken im oberen Drittel der
Narbenhöhle. Während die großblütige Art am 05.04.1996
erst am Blühbeginn stand und eine grüne Blattrosette besitzt,
war die normalblütige Wespe bereits weitestgehend verblüht,
die Blätter eingezogen. Hier der Vergleich im einzelnen:
Normalblütige
Variante
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Großblütige
Variante
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Gedrungener
Blütenstand
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Lockerer,
gestreckter Blütenstand
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Blütezeit
März/Anfang April
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Blütezeit
April
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Stengeldurchmesser
ca. 1mm
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Stengeldurchmesser
ca. 2mm
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Lippenlänge
ca. 14 mm
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Lippenlänge
ca. 25 mm
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Sepalen
ca. 1 cm lang, 0,6 cm breit
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Sepalen
ca. 1,5 cm lang, 1 cm breit
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Petalen
ca. 4 mm lang, 3 mm breit
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Petalen
ca. 6 mm lang, 6 mm breit
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Anhängsel
ca. 2 mm lang, 1mm breit
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Anhängsel
ca. 2 mm lang und breit
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Narbenhöhle
(dunkel) braun ohne Querbalken
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Narbenhöhle
oben grün mit braunem Querbalken
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Höcker
klein, meist in Lippenfarbe und behaart
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Höcker
größer, meist gelb und kahl
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Ein weiteres interessantes
Problem sei noch erwähnt. Auf Sardinien gibt es bekanntermaßen
neben der endemischen Ophrys chestermanii auch Pflanzen, die in jüngster
Zeit als Ophrys normanii beschrieben wurden. Sie sehen aus wie überdimensionierte
Hybriden zwischen Ophrys chestermanii und Ophrys tenthredinifera. Hierzu
ein kleiner Ausschnitt aus dem Reisebericht 2000:
.......Wir
suchen die Böschung am Wegesrand ab und plötzlich sehen
wir eine der typischen Ophrys normanii. Dann noch eine. Sie unterscheiden
sich signifikant von Ophrys chestermanii und fallen sofort auf.
Auch der Standort ist unterschiedlich. Während Ophrys chestermanii
hier fast ausschließlich im Wald vorkommt, stehen die normanii
nicht im Wald, sondern an offenen Böschung und Lichtungen,
offensichtlich Zeichen unterschiedlichen Lichtbedarfs beider Arten.
Während
wir so suchen entdecken wir auch ein Exemplar, das fast genauso
aussieht wie Ophrys tenthredinifera, nur dreimal so groß!
Sofort fallen mir die Wespen ein, die ich Jahre zuvor auf Mallorca
entdeckte, zusammen mit der normalen Sippe. Die unterste Blüte
ist verblüht und das Perigon ist tenthredinifera-typisch
nach vorne über die Lippe geneigt. Hundertfach haben wir
das im gesamten Mittelmeerraum schon gesehen, bloß eben
nicht so groß. Geklärt ist damit natürlich nichts.
Aber es könnte sein, dass es auf Sizilien eine großblütige
Wespensippe oder gar -art gibt, eventuell sogar identisch mit
der großblütigen Ophrys tenthredinifera "grandiflora"
von den Balearen. Offensichtlich ist sie extrem selten. Die Hybriden
dieser großblütigen Wespe mit Ophrys chestermanii allerdings
könnten erfolgreich eine Nische gefunden haben. PAULUS und
GACK haben festgestellt, dass Ophrys chestermanii den gleichen
Bestäuber hat wie Ophrys normanii. Es könnte also durchaus
sein, dass dies die Ausbreitung von Ophrys normanii gefördert
hat. Möglicherweise ist die großblütige Ophrys
tenthredinifera fast völlig in der Hybride aufgegangen.
Gegen die
These, es handle sich "nur" um eine Hybride zwischen
Ophrys chestermanii und der typischen Ophrys tenthredinifera spricht
auch die riesige Lippengröße und das vergleichsweise
häufige Vorkommen. Ophrys-Hybriden liegen in den Blütendimensionen
immer zwischen den Eltern, ein Heterosiseffekt ist bislang nicht
bekannt. Übrigens auch die Hybriden zwischen Ophrys chestermanii
und Ophrys morisii liegen in der Blütengröße eher
bei Ophrys morisii. Außerdem werden wir später noch
zwei Pflanzen finden, die Merkmale beider Eltern tragen und auch
in den Blütendimensionen zwischen ihnen liegen. Das sollten
echte Hybriden sein zwischen der "normalen" Ophrys tenthredinifera
und Ophrys chestermanii........
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Sie sehen,
auch bei einer so lange bekannten und scheinbar morphologisch
gut abgegrenzten Art wie Ophrys tenthredinifera gibt es immer
noch Untersuchungsbedarf.
Die Wespenragwurz
neigt wie kaum eine andere Ragwurz zur Bastardbildung. Kommt sie
mit anderen Ophrys-Arten gemeinsam vor, kann man mit Glück
einzelne oder auch Gruppen von Hybriden finden, die in der Regel
wegen der guten und stabilen Erkennungsmerkmale von Ophrys tenthredinifera
recht gut zu identifizieren sind. In dieser homepage sind etliche
dieser teilweise sehr schönen Hybriden abgebildet.
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