ORCHIDEEN EUROPAS
EXKURSIONSBERICHTE
 

 

 

Bericht über eine Orchideenreise ins

Elsass

vom 10. - 14. Juli 1999

von

Dr. Helmuth Zelesny, Börtlingen

 

Schwer zu erkennen: Ophrys elatior

Wie die meisten Ragwurzarten ist auch Ophrys elatior von weitem nur schwer in der Wiese auszumachen

 

Die (vor)letzte Orchideenexkursion in diesem Jahr steht an. Noch einmal, oder besser schon wieder raus ins Gelände. "Wenn man einmal Blut geleckt hat, kann man's nicht mehr lassen" sagte vor über 15 Jahren mein Orchideenfreund Franz, wie Recht er hatte. Damals traf ich ihn zufällig am Monte Argentario in der Toskana, an Orchideen dachte ich dabei zuerst weniger. Franz half den Wissenschaftlern Tichy, Tosi und del Prete bei der systematischen Orchideenkartierung der Halbinsel. Er lud mich spontan zu einer Exkursion ein und weckte in mir nach nur einem Tag das Interesse an diesem schönen Hobby. Ich erinnere mich noch genau, als er mir einen der wenigen Standorte der Spiegelragwurz zeigte. Der Blick durchs Makroobjektiv begeisterte mich. Damals gingen mir noch die Filme aus. Das allerdings passiert mir heute nicht mehr.

 

Diesmal ist Dominik dabei, mein 5 Jahre alter Sohn. Mal sehen, ob ich ihn nicht zu sehr langweile. Vielleicht hat er ja auch Spaß daran, im Gelände rumzulaufen und schöne Blumen zu suchen. Wir wollen ins Elsaß zu unseren französischen Freunden fahren, um dort zwei ganz besondere Highlights zu sehen, nämlich die spätblühenden Varianten von Hummelragwurz und Brandknabenkraut.

Dominik

Dominik, der Herr über den Citro-Schlüssel

 

Stattliche Hummelragwurz

Die späte Hummel, im Durchschnitt höherwüchsiger als ihre früher blühende Schwester

Bei ziemlich bewölktem Wetter fahren wir in Börtlingen los und sind zum Mittagessen in Jebsheim, wo wir wie immer mit großer Gastfreundschaft empfangen werden. Am Nachmittag geht es dann gleich raus auf die Suche nach Ophrys elatior. Wir fahren hinüber nach Deutschland in die Gegend von Bad Bellingen. Hinter einem kleinen Damm zwischen Gebüsch- und Waldgruppen zerstreut liegen kleinere, extensiv genutzte Wiesen. Diesen Platz muss man schon kennen, um ihn zu finden. Robert kennt ihn, zum Glück. Dort soll sie neben anderen Orchideen wachsen, die so seltene sommerblühende Variante der Hummelragwurz. Insbesondere auf einer tiefer liegenden Parzelle werden wir denn auch fündig. Und wir haben Glück. Nicht nur, dass die Art in voller Blüte steht. Auch haben wir offensichtlich ein recht gutes Jahr erwischt. Bestimmt über 250, zum Teil recht stattliche Exemplare stehen auf der vielleicht 20 mal 50 Meter großen Wiesenparzelle. Einfach herrlich. Was es doch noch für Kleinode gibt in einer ansonsten dicht besiedelten und intensiv genutzten Landschaft.

 

Zum Teil sind die Pflanzen stark verlaust, was man bei Orchideen eigentlich selten beobachtet. Dennoch finden wir schöne Fotomotive. Das Klicken der Fotoapparate ist nicht zu überhören. Die Art ist übrigens recht variabel, sowohl was Blütengröße, als auch Lippenform und -zeichnung betrifft. Insgesamt stärker als bei der Nominatart scheint mir die Lippenbehaarung. Einige Exemplare sind zudem ziemlich dunkel in der Lippengrundfarbe. Wir finden auch noch andere Orchideenarten, aber die sind natürlich schon längst verblüht: Anacamptis pyramidalis (zerstreut, verblüht), Gymnadenia conopsea (vereinzelt, verblüht), Ophrys holoserica (vereinzelt, verblüht), Ophrys elatior (zahlreich, blühend-aufblühend), Orchis militaris (vereinzelt, verblüht). Es ist schon verblüffend. Wie wohl diese späte Blüte entstanden ist?

 

Hummelragwurz

Die späte Hummel, im Durchschnitt höherwüchsiger als ihre früher blühende Schwester

 

Hummelragwurz

Nahaufnahme Nummer 1, typisches Beispiel

Hummelragwurz

Nahaufnahme Nummer 2, manchmal auch kleinblütig

Hummelragwurz

Nahaufnahme Nummer 3, selten mit weißlichem Perigon

 

Noch einen weiteren Standort dieser botanischen Rarität ganz in der Nähe wollen wir besuchen. Von der Hauptstraße zweigt ein Feldweg ab steil hinunter zu Äckern und Grünland. Auch hier würde ich nicht suchen, wenn nicht meine Freunde den Standort kennen würden. Leider wird das Wetter zunehmend mieser. Unsere Hoffnung, es könnte wenigstens noch zwei Stunden halten, erfüllt sich nicht. Mit Regenschirm und Gummistiefeln durchstreifen wir - welch ein kurioser Anblick - die Wiesen und finden nach einigem Suchen etliche blühende Exemplare der späten Hummel. An einer Stelle stehen auf vielleicht 2 Quadratmetern Fläche an die 50 Pflanzen! Insgesamt aber sind es deutlich weniger als am vorigen Standort, wahrscheinlich, weil die Wiesen doch nährstoffreicher sind. Der Standort scheint mir akut gefährdet zu sein. Mit nassen Hosen - das Gras ist höher als die Gummistiefel - steigen wir wieder ins Auto ein und hoffen, der Regen hört wieder auf, denn es steht ja noch eine andere Seltenheit auf dem Programm. Dominik hat derweilen mit Madeleine einen kleinen Spaziergang unternommen. Trotz seines kleinen Schirmes ist er ziemlich nass geworden. Noch interessanter als die Orchideen findet er allerdings die Infrarot-Fernbedienung des "Citro", wie er liebevoll den Citroen unserer Freunde nennt.

Wir fahren wieder hinüber nach Frankreich, zum Rheindamm. Dort machen wir uns bei glücklicherweise wieder trockenem Wetter auf die Suche nach Orchis ustulata aestivalis. Robert hatte Tage zuvor gemeinsam mit Madeleine den Standort bereits ausgekundschaftet, so werden wir schnell fündig. In der Tat unterscheidet sich diese Unterart in mehreren morphologischen Merkmalen deutlich von der Nominatform. Insbesondere der hohe, schlanke Wuchs mit langgezogenem Blütenstand fällt auf. Einige Exemplare sind besonders stattlich. Auch diese Art mit ihrem späten Blühzeitpunkt, welch eine Laune der Natur. Insgesamt finden wir zwischen den Gebüsch- und Baumgruppen: Anacamptis pyramidalis (vereinzelt, verblüht), Epipactis helleborine (vereinzelt, blühend), Gymnadenia conopsea (vereinzelt, verblüht), und Orchis ustulata aestivalis (zerstreut, blühend).

Das meiste haben wir gesehen, so dass uns der wieder einsetzende Regen nicht sonderlich beeindruckt. Wir fahren zurück nach Jebsheim, wieder mit zwei neuen, seltenen Arten im (fotografischen) Gepäck. Kurz war dieser Ausflug. Morgen fahren wir in die Französischen Alpen, um der herrlichen Nigritella corneliana noch einen Besuch abzustatten. Das soll dann aber wirklich der letzte Orchideentrip in diesem Jahr sein.

Orchis ustulata aestivalis, Nahaufnahme des Blütenstands

Nahaufnahme des Blütenstandes. Deutlich zu erkennen ist der langgestreckte Blütenstand, ebenfalls ein Unterscheidungsmerkmal zur "Normalart"

 

Orchis ustulata aestivalis

Orchis ustulata aestivalis ist deutlich höherwüchsig als die früher im Jahr blühende Variante

Nahaufnahme des Blütenstandes

Nahaufnahme, typische Blütenform und -zeichnung

 

 

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