ORCHIDEEN EUROPAS
EXKURSIONSBERICHTE
 

 

 

Bericht über eine Orchideenreise auf die

Schwäbische Alb

am 14. und 20. Juni 1999

von

Dr. Helmuth Zelesny, Börtlingen

 

Montag 14. Juni 1999

 

Wacholderheide auf der schwäbischen Alb

Wacholderheiden auf der Alb sind fast immer besonders interessante Orchideenbiotope. Hier blüht gerade Gymnadenia densiflora auf.

Wir sind mitten drin in der Orchideensaison. Nach Sizilien, Aude und Cevennen ist noch lange nicht Schluss, denn jetzt ist es auch bei uns auf der Schwäbischen Alb soweit. Mitte bis Ende Juni ist die günstigste Zeit für die Halbtrockenrasen am Albtrauf. Ich fahre zu einer meiner Lieblingsflächen, die ich seit fast 15 Jahren wenigstens einmal im Jahr besuche.

Dann gleich ein Schock. Der untere Teil war bereits eingezäunt und wurde von den Schafen restlos abgefressen. Leider ist gerade dort Anacamptis pyramidalis beson-ders zahlreich (gewesen). Ich denke, dass das zu diesem Zeitpunkt nicht nötig war, es gibt genügend andere, wesentlich weniger bedeutsame Wiesenflächen für die Schafbeweidung im Juni. Später ja, denn nicht alle Flächen können von den staatlichen Pflegetrupps gemäht werden. Die Schafbeweidung zur rechten Zeit ist immer noch die beste Methode, die Flächen zu erhalten. Schließlich sind sie ja erst durch diese Art der landwirtschaftlichen Nutzung entstanden. Das hier aber war unnötig. Es ist Wanderern nur schwer zu vermitteln, auf den Wegen zu bleiben und nichts abzupflücken, wenn die wertvollen Flächen durch Vieh flächig zertrampelt und abgefressen sind.

 

So bleibt mir nur, die steileren Flächen und die in der Höhe anschließenden, ebenen Magerwiesen näher in Augenschein zu nehmen. Es sieht gut aus, in diesem Jahr. Die beiden Händelwurzarten beginnen gerade aufzublühen und auch Anacamptis pyramidalis hat die ersten Blüten geöffnet. In diesem Jahr erscheinen sie mir noch tiefroter als sonst. Ich bin nach wie vor der Meinung, hier handelt es sich um die Subspezies tanayensis, die eigentlich nur in größeren Höhen vorkommen soll. Und auf dem Weg am Grat hinauf, gar nicht weit weg von einer Parkbank, dann die Über-raschung: Eine Biene. Es liegt bestimmt 7 Jahre zurück, als ich zum letzten Mal hier eine blühende Bienenragwurz gefunden habe. Ich hatte sie schon für verschollen erklärt. Gerade bei Bienen weiß man aber, dass ihre Populationen stark schwanken. Auf ein gutes Jahr kann die Art mehrere Jahre ausbleiben, um dann plötzlich, bei guten Bedingungen wieder aufzutauchen. Trotz intensiver Suche bleibt es bei dem einzigen, aber sehr schönen Exemplar. Hoffentlich pflückt sie kein Wanderer ab und kann tüchtig Samen produzieren.

 

Anacamptis pyramidalis

Relativ spät ist die Pyramidenorchis (Anacamptis pyramidalis) mit der Blüte dran. So intensiv gefärbt findet man sie an manchen Stellen auf der Alb.

Sehr schön sind auch drei reinweiße Albinos des in voller Blüte stehenden Wiesensalbeis. Sie leuchten schon von weitem aus dem blauen Blütenmeer heraus. Listera ovata übrigens ist besonders häufig. Es scheint mir, als hätte sich diese Art in den letzten Jahren auf der Alb stärker ausgebreitet. Insgesamt wachsen hier: Gymnadenia odoratissima (verbreitet, blühend-aufblühend), Gymnadenia conopsea (verbrei-tet, aufblühend-blühend), Anacamptis pyramidalis (zerstreut, knospend-aufblühend, Ophrys insectifera (zerstreut, verblühend), Ophrys apifera (Einzelex., blühend), Or-chis militaris (vereinzelt, verblüht) und Listera ovata (häufig, blühend).

 

Das Wetter verschlechtert sich zusehends. Es sieht so aus, als würde das Gewitter genau hierher ziehen, na klar doch. Ich fahre zurück zu einer anderen, sehr trockenen Wacholderheide. Hier will ich mich noch etwas umsehen, bevor das Gewitter zuschlägt. Auch hier ein ähnliches Bild, insgesamt aber deutlich weniger Orchideen. Bemerkenswert ist ein Albino der kleinen Händelwurz, bei uns im Gegensatz zu den Alpen eher selten. Es wachsen: Ophrys insectifera (vereinzelt, verblühend), Gymnadenia conopsea (vereinzelt, aufblühend), Gymnadenia odoratissima (vereinzelt, auf-blühend), Gymnadenia odoratissima albiflora (Einzelex., blühend) und Listera ovata (vereinzelt, blühend).

Dann geht's los. Blitze, Donner und was dazu gehört. Jetzt macht's keinen Spaß mehr, ich entschließe mich, nach Hause zu fahren. Auf halbem Weg liegt eine kleine Haltebucht. Von hier aus hat man eine fantastische Aussicht. Da Gewitter für mich immer wieder faszinierend sind, halte ich an und genieße das Schauspiel.

 

Albino von Wiesensalbei

Albinos gibt es nicht nur bei Orchideen, sondern auch bei fast allen anderen Blütenpflanzen auch, ausgenommen gelbblühenden. Sie fallen in der Masse der normal gefärbten Exemplare meistens auf, wie hier der Wiesensalbei.

So weit so gut. Warum ich das erzähle? Nun: Wie ich da so in meinem Auto sitze, schaue ich mehr zufällig links hinüber auf die Straßenböschung. Stehen da nicht Orchideen? Wahrscheinlich Gymnadenia, denke ich. Der Regen lässt wieder nach, er hat sich überraschend schnell ins Albvorland verzogen. Deutlich sind die Regenschleier über der Landschaft zu erkennen. Was soll's, schauen wir kurz rüber. Und dann die Überraschung: Nicht etwa Gymnadenia steht hier in voller Blüte, sondern herrliche Exemplare von Dactylorhiza fuchsii. Wie oft bin ich schon hier vorbeigefahren und habe die Aussicht genossen. Aufgefallen waren mir die Pflanzen bislang nie. Jetzt sehe ich mir auch die Böschung unterhalb der Parkbucht, jenseits der Strauchbepflanzung, näher an. Auch dort stehen mehrere dutzend Exemplare dieses Knabenkrautes. Übrigens haben dieses Plätzchen auch schon andere gefunden, denn der zufällig vorbeikommende Landwirt, dem die angrenzende Wiese gehört, erzählt mir, dass letztes Jahr hier Pflanzen ausgegraben wurden. Dies zeigt einmal mehr, dass man mit genauen Standortsangaben sehr vorsichtig sein muss. Ich hoffe, Sie haben Verständnis, dass ich hier im Internet solche Angaben nicht veröffentlichen will. Auch wenn 99,9% der Leser nichts böses (bzw. ungesetzliches) im Schilde führen. Ein Spatenbotaniker alleine reicht schon, um irreparablen Schaden anzurichten.

Da sieht man's mal wieder, lieber einmal mehr gelaufen. Tatsächlich findet man selbst in vertrauten Gefilden immer noch Überraschungen, auch positive wie hier. Leider beginnt es wieder leicht zu regnen. Insgesamt wachsen hier: Dactylorhiza fuchsii (zerstreut, blühend), Gymnadenia conopsea (vereinzelt, blühend) und Listera ovata (vereinzelt, blühend). Aber die Pflanzen sind nass und damit nicht optimal zu fotografieren, so dass ich mich entschließe, morgen nochmals zum fotografieren hierher zu kommen. Das tue ich dann auch und kehre zurück mit zwei belichteten Filmen. Das gibt wieder Material zum rahmen. Aber zuvor muss alles entwickelt werden.

 

Nach vielen Versuchen habe ich übrigens festgestellt, dass für meine Nikon-Optik Kodachrome-Diafilme die beste Wahl sind, wenigstens was die Bildqualität betrifft. Bei der Entwicklung aber heißt das oft Geduld. Alle, die wie ich mit Kodachrome fotografieren, können ein Lied davon singen. So kann man fast alle anderen, auf dem Markt erhältlichen Filme mit E6-Entwicklungsverfahren morgens zu jedem x-beliebigen Fotohändler bringen, und spätestens nach zwei Tagen wieder fertig entwickelt und, wenn gewünscht auch gerahmt, wieder abholen. Nicht so bei Kodachrome. Der benötigt nämlich ein ganz spezielles Entwicklungsverfahen, das nur in den Kodak-Labors durchgeführt werden kann. Das heißt: Verpacken und einschicken. Und nach frühestens 10 Tagen erhält man dann die entwickelten Filme per Post zurück. Es sei denn, man wohnt in der Nähe von Stuttgart. Dann kann man nämlich die belichteten Filme direkt beim neu eingerichteten Kodak-Minilab in Stutt-gart-Vaihingen abgeben und nach spätestens einer Woche wieder abholen, wenn die Labs nicht mal wieder ihren Geist aufgegeben haben. Dann wandert alles wieder in die Schweiz. Bis vor 5 Jahren war alles noch besser. Da konnte man seine Filme morgens bei einer Annahmestelle von Kodak in Stuttgart-Wangen abgeben und am selben Tag nachmittags fix und fertig wieder abholen. Diese Stelle aber wurde wegrationalisiert, sehr zu meinem Bedauern.

 

Dactylorhiza fuchsii

Typisches Exemplar des Fuchs'schen Knabenkrauts (Dactylorhiza fuchsii). Der Mittellappen ist deutlich länger als die Seitenlappen.

Sonntag 20.Juni 1999

 

Diesmal machen wir einen Familienausflug. Mit dabei ist auch Bernd mit Frau, Tochter und Sohn. Nachdem Bernd bisher in diesem Jahr leider nicht an unseren Orchi-deenausflügen teilnehmen konnte, will ich ihn wenigstens an diesem Sonntag in die Botanik führen, nicht dass er am Schluss noch die Freude an den Blumen verliert. Das wäre fatal für unsere gemeinsame Orchideen-Homepage "www.orchis.de". Ohne ihn gäbe es diese Seiten nämlich überhaupt nicht. Und immer wenn er mir etwas neues aus orchis.de auf seinen drei Computern vorführt und die dazu nötigen Programmierschritte zeigt, bin ich aufs neue sprachlos, welche immense Arbeit das macht und wie man bei all dem noch den Überblick bewahren kann.

Als erstes steuern wir eine kleine Wacholderheide an. Auch die kenne ich schon seit vielen Jahren. Wir merken schnell, dass dies ein außergewöhnlich gutes Händelwurzjahr ist. Zu Hunderten stehen sie hier, teilweise noch in Knospen. Sogar zwei Albinos von Gymnadenia conopsea finden wir, zum ersten mal sehe ich solch reinweiß blühende Pflanzen an diesem Standort. Auch wenigstens eine Hybride zwischen den beiden Händelwurzarten finden wir. Insgesamt zehn verschiedene Orchideenarten notieren wir, das kann sich sehen lassen: Orchis militaris (vereinzelt, verblüht), Ophrys insectifera (verbreitet, blühend-verblüht), Gymnadenia odoratissima (verbreitet, blühend-aufblühend), Gymnadenia conopsea (verbreitet, blühend-aufblühend), Gymnadenia conopsea albiflora (2 Ex., blühend), Gymnadenia conopsea densiflora (vereinzelt, knospend-aufblühend), Orchis mascula (vereinzelt, verblüht), Plathanthera bifolia (vereinzelt, blühend), Listera ovata (vereinzelt, blühend), Anacamptis pyramidalis (vereinzelt, aufblühend), Cephalanthera damasonium (vereinzelt, verblüht) und Gymnadenia conopsea x G. odoratissima (1 Ex., blühend).

Weiter geht's hinauf zu einem der schönsten Orchideenstandorte der Alb. Im Wald steht der Türkenbund in voller Blüte. Einige Pflanzen hat das gefräßige Lilienhähnchen übrig gelassen, etwa extra für uns? Auf der Wiese dann ein beeindruckendes Bild. Orchideen dicht an dicht. So schön kann man die Orchideenblüte hier oben nicht alle Jahre sehen. Und dabei stehen viele erst in Knospen. Vor allem Händelwurz und Pyramidenorchis haben die Wiese in ein Blütenmeer verwandelt. Auch hier finden wir mehrere Händelwurz-Albinos. Schon von ferne leuchten uns die schnee-weißen Blütenstände entgegen. Und die an wenigen Stellen vorkommende Spinnenragwurz breitet sich offensichtlich hier oben aus. Ein Problem gibt es übrigens. Eigentlich sind Gymnadenia conopsea ssp. conopsea und ssp. densiflora gut zu unterscheiden. Hier aber, wo beide Unterarten gemeinsam vorkommen, bilden sich offensichtlich Mischpopulationen aus, so dass in vielen Fällen eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist.

 

Als wir schon wieder auf dem Weg zurück sind, fällt mir nur wenige Meter neben dem Weg eine Pflanze auf. Das ist doch eine Dactylorhiza incarnata, denke ich spontan. Das muss ich mir näher ansehen. Es ist tatsächlich und zweifelsfrei ein fleischfarbenes Knabenkraut. Zwei dicht beieinander stehende Pflänzchen sind es nur und zudem an einer Stelle, wo sie eigentlich nicht hingehören. Ich vermute mal, dass da ein eifriger Orchideenfreund seine Finger im Spiel hatte. Was man nicht alles tut, um die Artenvielfalt zu erhöhen. 13 verschiedene Arten finden wir, für mit-teleuropäische Verhältnisse außerhalb des Kaiserstuhls sehr beachtlich: Ophrys sphegodes (vereinzelt, verblüht), Ophrys insectifera (zerstreut, verblühend), Anacamptis pyramidalis (verbreitet, blühend-knospend), Gymnadenia conopsea (verbreitet, blühend-aufblühend), Gymnadenia conopsea albiflora (5 Ex., blühend), Gymnadenia conopsea densiflora (verbreitet, aufblühend-knospend), Gymnadenia odoratissima (verbreitet, blühend-aufblühend), Orchis pallens (vereinzelt, verblüht), Orchis militaris (vereinzelt, verblüht), Platanthera bifolia (zerstreut, blühend), Listera ovata (verbreitet, blühend), Cephalanthera damasonium (vereinzelt, verblüht) und Dactylorhiza incarnata (2 Ex., blühend).

Dactylorhiza incarnata

Wie kommt eine Feuchtwiesen-Orchidee auf den Halbtrockenrasen?? Ein Fleischfarbenes Knabenkraut (Dactylorhiza incarnata), ohne jeden Zweifel.

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