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         ORCHIDEEN EUROPAS Strukturanomalien  | 
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Neben 
      Hybriden und fehlfarbigen Exemplaren kann der aufmerksame Beobachter manchmal 
      Pflanzen finden, die mehr oder weniger verunstaltet sind. Hier handelt es 
      sich um Strukturanomalien, die meist die Blütenorgane, manchmal aber auch 
      den ganzen Habitus oder vegetative Teile betreffen. Während Hybriden und 
      Fehlfarben zum überwiegenden Teil auf genetische Defekte zurückzuführen 
      sind, können Mißbildungen auch durch mechanische Beschädigung, beispielswiese 
      durch Insektenfraß an Knospen, Viehtritt oder Frost hervorgerufen werden. 
      In solchen Fällen ist oft nur eine Blüte der Pflanze betroffen. Weisen dagegen 
      alle Blüten einer Pflanze oder gar mehrere beieinanderstehende Pflanzen 
      denselben Defekt auf und tritt dieser Defekt jedes Jahr auf, so liegt der 
      Schluß nahe, dass es sich um eine genetisch bedingte Mißbildung handelt. 
      Beispiele sind Ophrys incubacea 
      und Gymnadenia conopsea. 
      
Sind die Blüten mißgebildet, 
      ist eine Vermehrung meist nicht mehr möglich. Solche Erscheinungen bleiben 
      deshalb in der Regel Einzelfälle, die nach dem Tod der Pflanze verschwinden 
      und an anderer Stelle in anderer Form wieder auftreten können. Eine Ausnahme 
      bilden 
diejenigen 
      Arten, die sich durch Selbstbestäubung (Autogamie) fortpflanzen, denn dann 
      spielt die Attraktivität für seinen Bestäuber keine Rolle. In solchen Fällen 
      kann es wie bei Ophrys apifera 
      zu einer Anhäufung solcher "aberranter" Formen kommen, die von manchen Autoren 
      als Unterart angesehen werden. Beispiele sind Ophrys 
      apifera Subspezies botteronii und Ophrys 
      apifera Subspezies aurita.
Die möglichen Strukturanomalien sind vielfältig. Aus den abgebildeten Beispielen seien einige herausgegriffen. Bei den am häufigsten zu beobachtenden Blütendefekten kommen Mißbildungen der gesamten Blüte (Ophrys bombyliflora) und Lippenverformungen bzw. Verwachsungen vor, wobei insbesondere Mehrlippigkeit auftritt (Orchis palustris, Ophrys lutea). Manchmal dagegen fehlt eine Blütenlippe ganz oder sie ist als drittes Kronblatt ebenso ausgebildet wie die beiden anderen, seitlichen. Dann sind entweder die Blütenblätter radiärsymmetrisch angeordnet wie bei den Lilien (Ophrys mammosa, Ophrys sphegodes) oder die beiden äußeren Kelchblätter weisen nach unten (Ophrys holoserica). In seltenen Fällen sind Teile der äußeren Kelchblätter in Farbe und Zeichnung wie das mittlere Kronblatt (=Blütenlippe) gestaltet. Ein Beispiel hierfür ist Ophrys garganica.
Bei 
      den Mißbildungen des Blütenstandes kann dieser entweder gebogen sein (Listera 
      ovata, Ophrys archipelagi), 
      oder die Blütenlippen weisen nach oben und damit in die falsche Richtung 
      (Orchis purpurea, Orchis 
      mascula). Im letzteren Fall hat die Pflanze infolge eines genetischen 
      Defektes die Fähigkeit der sogenannten Resupination, das heisst der Blütendrehung, 
      verloren. Hierzu muß man wissen, dass die Blüten eigentlich mit den Lippen 
      nach oben gerichtet in den Blütenknospen angelegt werden. Erst in einem 
      späteren Entwicklungsstadium drehen sich die Blütenanlagen bei den meisten 
      (aber nicht allen) Arten um 180 Grad, sodass die Lippen dann nach unten 
      weisen. Ganz selten kommen sogar Gabelungen des Blütenstandes (Gymnadenia 
      conopsea) oder die Ausbildung von Blütenanlagen in Blattachseln vor 
      (Orchis laxiflora). Auch 
      Blütenstände ohne eine einzige Blüte sind möglich (Gymnadenia 
      conopsea).