Was sind Hybriden?

ORCHIDEEN EUROPAS Hybriden
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Eine Art gilt dann als Art, wenn sie sich fortpflanzen kann und keine Mischpopulationen mit anderen Arten bildet (Fortpflanzungsisolation oder -barriere). Normalerweise haben sich im Laufe der stammesgeschichtlichen Entwicklung (Evolution) die Arten soweit voneinander isoliert, dass das unterschiedliche Erbgut Kreuzungen verhindert. Deshalb gibt es keine Kreuzung zwischen Löwenzahn und Gänseblümchen.

Orchideen aber sind eine stammesgeschichtlich sehr junge Familie. Viele Arten, und in einigen Fällen auch Gattungen, stehen sich in ihrem Erbgut noch so nahe, dass natürliche oder künstliche Kreuzbestäubungen möglich sind. Das Ergebnis sind keimfähige Samen, die zu Hybriden, also Bastarden heranwachsen können. So sind die meisten Orchideen, die man in Gärtnereien kaufen kann, vom Menschen gezüchtete und vermehrte Hybriden. In der Natur treten Hybriden, von wenigen Fällen abgesehen, nur vereinzelt auf und sind selbst meist nicht fortpfla-zungsfähig. Es gibt aber auch Hybridschwärme. Hierbei handelt es sich nicht um vereinzelt auftretende Bastarde, sondern größere Hybridpopulationen. Führt ein solches "Experiment der Natur" zu einer fortpflanzungsfähigen Hybride, kann sich diese unter Umständen ausbreiten und eine Nische besetzen. Einige Autoren geben solchen Pflanzen dann den Rang einer Art und werten dies als Beleg dafür, dass sich die Familie der Orchideen derzeit noch in voller Evolution befindet.

Dies macht deutlich, welch große Schwierigkeiten die Artgebung insbesondere bei den Orchideen macht und ist einer der Gründe, warum in manchen Büchern eine Orchidee als Art, in anderen als Unterart oder gar "nur" als lokale Varietät geführt wird. Der zweite Grund liegt an unterschiedlichen „Artkonzepten“. Insgesamt ist gerade in jüngster Zeit ein eher großzügiger Umgang mit dem Artstatus zu beobachten. Ob dies gerechtfertigt und hilfreich ist, mag dahingestellt sein und ist Anlass heftiger Diskussionen, die wir hier nicht führen wollen.

Manche Hybriden sind erstaunlich wenig variabel und deshalb gut zu erkennen. Beispiele hierfür sind die Gattungshybriden zwischen Aceras anthropophorum und Arten aus der Gattung Orchis. Andere wiederum sind nur in seltenen Fällen eindeutig zu identifizieren. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Elternar-ten morphologisch ähnlich sind oder die Eltern selbst ein variables Aussehen ha-ben. Oft ist es so, dass zwar ein Elternteil eindeutig zu identifizieren ist, als ande-rer Elternteil aber mehrere, morphologisch ähnliche Arten in Frage kommen. Zu allem Überfluss kommt noch hinzu, dass Orchideensamen ungeheuer leicht sind und mit dem Wind über weite Strecken transportiert werden können. So kann es durchaus vorkommen, dass in der unmittelbaren Umgebung einer Hybride einer der Eltern gar nicht vorkommt. Auf der anderen Seite ist die Tatsache, dass beide vermeintlichen Eltern in der Nähe der Hybride wachsen, kein sicherer Beweis für ihre Elternschaft.

Auch ist es durchaus nicht so, dass die Hybride in allen morphologischen Merkmalen genau zwischen den Eltern stehen muss. Dies ist eher die Ausnahme. Je nach Verteilung des Erbgutes kann sie mal mehr dem einen, mal mehr dem anderen Elternteil gleichen. Am Beispiel der Hybride zwischen Ophrys holoserica und Ophrys insectifera ist dies gut zu sehen. Der Betrachter wird erkennen, wie variabel das Produkt einer solchen Kreuzung sein kann. Dennoch sind die Hybriden eindeutig zu identifizieren.

Allerdings sollte man sich davor hüten, in jeder offensichtlichen Abweichung von der Norm gleich eine Hybride zu sehen. Nur langjährige Erfahrung macht ein einigermaßen sicheres Bestimmen möglich. Dass letztlich innerhalb einer Gattung eine Vielzahl an Artkombinationen möglich ist, macht die Suche nach Orchideenhybriden so spannend. Auf eine Namengebung der Bastarde haben wir übrigens verzichtet. Sie wäre nach den Regeln der Nomenklatur zwar zulässig, ist wissenschaftlich aber überflüssig. Im Übrigen richtet sich die Nomenklatur nach DELFORGE (1994), BUTTLER (1986) und / oder SUNDERMANN (1980).

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Artbastarden und Gattungsbastarden. Erstere, also Bastarde zwischen verschiedenen Arten ein und derselben Gattung, sind wesentlich häufiger als Bastarde von Arten aus verschiedenen Gattungen. Besonders innerhalb der Gattung Ophrys (Ragwurz) gibt es Arten mit größerer Neigung zur Bastardierung. Hierzu zählen beispielsweise die Bremsenragwurz, von der wir immerhin xxx verschiedene, meist gut erkennbare Hybriden im Angebot haben. Bei den Gattungshybriden sind Mischformen zwischen Ohnsporn (Aceras anthropophorum) und Arten der Orchis-Gruppe noch relativ am häufigsten, insgesamt aber dennoch selten.

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Nicht auf jeder Orchideenwiese findet man sofort Hybriden. Man muss sich schon Zeit nehmen und genau hinschauen. Oft genug bleibt die Suche vergebens. Manchmal aber, und meist wenn man es nicht erwartet, entdeckt man etwas ganz außergewöhnliches, und das macht den be-sonderen Reiz aus. Und – sind wir mal ehrlich – in uns steckt immer ein wenig Sammelleidenschaft, die sich allerdings aufs Bestaunen und naturverträgliche Fotografieren beschränken sollte.

Apropos naturverträglich: einige "Orchideenliebhaber" schrecken vor nichts zurück. Immer wieder findet man draußen Stellen, an denen Orchideen ausgegraben wurden, und das nicht nur in der Türkei. Eigentlich sollte man es nicht sagen müssen, aber so etwas ist aufs schärfste zu verurteilen. Nicht ohne Grund stehen Orchideenarten in vielen Ländern unter Naturschutz. Ganz abgesehen davon sind die Chancen, dass ausgegrabene Orchideen im eigenen Garten weiterleben können, äußerst gering. Um einem Missbrauch keinen Vorschub zu leisten, haben wir bewusst auf genaue Standortangaben verzichtet, dies gilt auch für die Exkursionsberichte. Wir bitten hierfür um Verständnis.